laut.de-Kritik
Fusion, Baby, Fusion!
Review von Ulf KubankeMit dem Denkmal System Of A Down machte Serj Tankian den Metal fitt fürs neue Jahrtausend. Mit "Elect The Dead" und seinen Nachfolgern bricht er einen faszinierend ekletischen Stilmischmasch im zappaesken Duktus vom Zaun. Zusammen mit dem Parallel-Album "Orca" geht Tankian auf "Jazz-Iz Christ" nun den umgekehrten Weg und knöpft sich fokussiert jedes Genre einzeln vor. Während er "Orca" als waschechte Klassikplatte konzipiert, ist auf der vorliegenden Scheibe der Titel Programm. Großartiger Jazz - erst recht für Leute, die solch einer Richtung gemeinhin eher wenig abgewinnen können.
Ähnlich wie Freigeist-Kollege Frusciante verschreibt sich Tankian ganz und gar der Suche nach neuen musikalischen Ausdrucksformen. Während der ehemalige Chili Pepper zuletzt eher dazu neigt, den Weg als Ziel zu dokumentieren, präsentiert Serj während seiner musikalischen Odyssee auschließlich edle Fundstücke dieser Suche. Jeder Track ein Treffer auf der nach oben unbegrenztwen Tankianskala.
Es muss Spaß machen und ordentlich grooven! Und das tut es in der Tat. Fusion, Baby, Fusion! Mit dem Geist der lasziven 70er gezeugt und mit den Mitteln der modernen Gegenwart perfekt produziert. Oft sehr ausgelassen ("Waitomo Caves"), gelegentlich lasziv-sexy ("End Of Time") und immer mit hochmelodischen Themen gespickt.
Tankians Kompositionsverständnis steht auf handwerklich perfektem Fundament. Mit seinem erfahrenen Quartett gelingt eine beeindruckende Bandbreite. Serj' Jazzvariante gründet sich besonders auf funky Seventies Fusion. Darüber eine ordentliche Kanne Psychedelik und eine nicht enden wollende Flut eingängiger Themen. Zwar anspruchsvoll, dabei alles immer schön partytauglich oder chillig.
Zwischendurch begegnet dem Hörer ein ganzes Rudel Morricone-verwandter Elemente und Harmonien (u.a. in "Scotch In China", "Honeycharmed"). Dazu gern mal eine angekifft zerlaufene Funkgitarre samt dramatischer Wüstentrompete im Gepäck ("Balkony Chats"). Wie ein bunter Faden schlängelt sich Valeri Tolstovs Flöte durch fast drei Viertel der Tracklist und hinterlässt überall seinen verspielten Funkstempel.
Das typische Tankian-Tourette, von Vertracktheit und polyrhythmischem Denken geprägt, hinterlässt nicht nur in "Jinn" seine Fingerabdrücke. Im Grunde ist "Jazz" strukturell die Weiterführung von SOAD mit anderen Mitteln. Das Album transportiert eine durchweg emotionale Stimmung. In den heitersten Momenten fast so ausgelassen farbenfroh wie die psychedelic Fusion von Franco Godi ("Signor Rossi" Soundtrack); in den schweißtreibenden Momenten ist man dagegen fast schon beim verruchten Blaxploitation Sound. Mitunter passiert auch alles gleichzeitig.
Zum auch hier unverzichtbaren Kontrast serviert Tankian ein paar echte Tränenzieher. Solch ruhige Momente stecken voll jener typischen Melancholie des Kaukasus ("Garuna"), deren Ton gewordene Dramatik sofort mitreißt. "Distant Thing" - mit Edelgast Stewart Copeland - ist so ein aufwühlender Höhepunkt. Damit Serj Tankian einmal mehr eine hochwertige, sehr sinnliche Platte gelungen, die jeden Hörer dazu ermuntert, musikalisches Schubladendenken zu begraben.
16 Kommentare mit einer Antwort
Er hält sich für brilliant, dabei ist er eigentlich nur größenwahnsinnig. Habs mehrfach im Stream gehört - schwach, ganz schwach.
"Ach, ich glaube, dass der Jazz eigentlich fertig ist. Das ist nicht negativ gemeint, aber in der künstlerischen Entwicklung ist er wohl durch. So, wie man sich die Klassik heute anhört - Haydn, Mozart, Beethoven, das ist auch eine 'fertige' Sache. Die man hören kann, ohne dass sie sich ständig verändert. Höchstens nur Kleinigkeiten. Da ist also der eigentliche Jazz, dann kam Freejazz - der völliger Blödsinn ist, ich habe lieber geordnetes Chaos - und ich bleibe dabei, das der Jazz in der Entwicklung beendet ist. Aber die Leute ihn dennoch immer wieder hören wollen - zumindest hoffe ich das." Paul Kuhn im laut.de-Interview mit Artur Schulz.
Ansonsten finde ich das Album okay, aber weit von dem hier erwähnten Zappa entfernt. Dafür sind die Songstrukturen wie bei "End Of Time" einfach zu langweilig und vorhersehbar. Wahrscheinlich würde man gar nicht auf den Vergleich kommen, würde Serj nicht mit Outfit und Habitus so zwanghaft drauf pochen.
Naja, Jazz mit Hip Hop-Elementen zu verbinden ist jetzt auch nicht gerade die allerneuste Erfindung.
Die letzte Gasper fand ich zum Teil gelungen, zum Teil ein wenig zu sehr aufgeräumter Teehaus-Jazz. Aber natürlich kann man in der Verbindung mit anderen Musikrichtungen immer noch etwas neues herauskitzeln, in jedem Genre. Und vielleicht gerade und ganz besonders im Jazz.
Mit Fieldwork werde ich mich bei Gelegenheit mal auseinander setzen, hat was.
Da höre ich schon aus Prinzip nicht rein. Und ich bin für jede Musik offen.
@MusicLoars (« Da höre ich schon aus Prinzip nicht rein. Und ich bin für jede Musik offen. »):
wärst du auch so gnädig uns zu sagen warum oder bockst du nur?