laut.de-Kritik
Geschmackvoll umgesetzte Hip Hop- und House-Neuinterpretationen.
Review von Florian Düker"Wir sind diese Beilage, die mit allem schmeckt. Wir sind Reis." Reis ist nun nicht gerade die schmeichelhafteste Umschreibung für eine Band, aber irgendwie trifft dieser Vergleich doch zu, den Laura Lee und Donald Johnson von Khruangbin im Interview mit The Forty Five anstellen. Gemeint war die Tatsache, dass Khruangbin auf Lineups wie dem des Bonnaroo Music & Arts-Festivals zwischen so unterschiedlichen Acts wie Young Thug und den Deftones auftauchen und anscheinend weder den Hip Hop- noch den Rock-Fans bitter aufstoßen. Was Reis vermutlich auch nicht tut.
Der Vergleich passt aber auch noch in anderer Hinsicht: Khruangbins Musik eignet sich ganz hervorragend als Quelle für Samples und als Ausgangsmaterial für Neuinterpretationen. So rappten zum Beispiel Freddie Gibbs, Jay-Z und Jay Electronica auf Beats, die Khruangbin-Samples verwenden, während sich beispielsweise das Produzenten-Duo Maribou State aus England in der Vergangenheit erfolgreich an einem Remix von Khruangbins "People Everywhere" probierte. Die Beilage Khruangbin passt demnach auch zu anderen Genres und bietet den für den Geschmack verantwortlichen Produzenten reichlich Rezeptideen und Kombinationsmöglichkeiten.
Mit den "Mordechai Remixes" lässt das texanische Trio aus Mark Speer (Gitarre), Laura Lee (Bass und Gesang) und Donald 'DJ' Johnson (Schlagzeug) erstmals ein komplettes Album von zehn verschiedenen Künstlern neu interpretieren. "Mordechai" ist jene Platte, die dafür sorgte, dass Khruangbins sperriger Name im Sommer 2020 plötzlich in den Top-10 verschiedener internationaler Charts (unter anderem auch in Deutschland) und seit einigen Monaten auch auf den Lineups namhafter Festivals zu lesen war. Exotisch, groovy, psychedelisch, mal entspannend und mal anregend war dieses Ausgangsmaterial, stets beschränkt auf Marks Gitarre, Lauras Bass und Gesang sowie DJs Drums. Die jeweiligen Stems, also sämtliche Einzelspuren, wurden an verschiedene Produzenten geschickt, die sich daran austoben und ihrer Kreativität freien Lauf ließen. Die Tracklist hat das Trio daraufhin neu angeordnet, um die jeweiligen Remixes im Kontext der LP passend in Szene zu setzen.
Bei den verantwortlichen Produzenten handelt es sich um Künstler, die alle in irgendeiner Weise in Verbindung mit Khruangbin stehen: alte Tourbegleiter, Kollaborateure, Freunde und andere Weggefährten. Zu den bekanntesten Namen zählen sicherlich Knxwledge, der 2015 gemeinsam mit Anderson .Paak das Kollabo-Album "Yes Lawd!" veröffentlichte, und Quantic, seit mehr als 20 Jahren aktiver DJ und Produzent. Doch auch andere hier vertretene Künstlerinnen und Künstler wie Kadhja Bonet und Ginger Root weisen mehrere Hunderttausend monatliche Spotify-Hörer auf. Für eher unbeschriebene Blätter wie Natasha Diggs oder Mang Dynasty bietet diese Remix-CD eine willkommene Gelegenheit, ihr Publikum zu erweitern.
Unabhängig davon, ob man mit dem Sound der jeweiligen Künstler vertraut ist oder nicht, wird deutlich, dass sie alle sehr respektvoll mit dem Ausgangsmaterial umgegangen sind und ihm gleichzeitig den eigenen Stempel aufdrücken wollten. Knxwledge flippt "Dearest Alfred" in einen zurückgelehnten Hip Hop-Beat mit LoFi-Vibe. Ebenfalls in Richtung Hip Hop bewegt sich Ginger Root mit seinem Boombap-Remix zu "Connaissais de Face", der anfangs sogar an den legendären J Dilla erinnert.
Die Beiträge von Knxwledge und Ginger Root sowie das um geschmackvoll arrangierte Streicher erweiterte Intro "Father Bird, Mother Bird (Sunbirds)" von Kadhja Bonet bilden allerdings die einzigen Ausnahmen vom House-lastigen Rest des Albums. Disco, Latin, Deep House... sämtliche Kreuzungen mit Khruangbins mittlerweile international bekanntem Signature Sound funktionieren. Gerade die langen Songs ab "First Class (Soul in the Horn Remix)" entführen auf die Tanzfläche und regen mit hypnotisierenden Percussions (Ron Trents "Shida"-Remix) zum Träumen von feuchtfröhlichen, nie enden wollenden Nächten an.
Der liebe- und geschmackvolle Umgang der jeweiligen Künstler mit der Band und ihrem Ausgangsmaterial ist den zehn Neuinterpretationen anzumerken, wobei dieser Respekt in bestimmten Fällen etwas zu groß gewesen sein muss. Der Remix zu "So We Won't Forget", eines der Highlights auf "Mordechai", klingt dem Original zum Beispiel noch entschieden zu ähnlich. Hier wäre etwas mehr Mut erforderlich gewesen, um Gründe zu liefern, diesen Remix dem Original vorzuziehen. Sich am Ausgangsmaterial verhoben oder dieses gar komplett verhunzt hat aber keiner der zehn Interpreten.
Mark Speer, Laura Lee und DJ sind Virtuosen auf ihren jeweiligen Instrumenten. Mit zusätzlichen Sounds gehen sie sehr spärlich um. Es ist schon allein aus diesem Grund interessant zu hören, wie all diese lässigen Basslinien und Gitarrenmelodien in Kombination mit für Khruangbin völlig unüblichen Klängen funktionieren. Insgesamt handelt es sich bei den "Mordechai Remixes" eher um geschmackvoll angerichtete Erweiterungen und Verschiebungen in neue Genres als um bis zur Unkenntlichkeit modifizierte Neuinterpretationen. Durch die Wahl der zum Großteil aus den USA stammenden Interpreten überwiegt der House- und Club-Sound auf der LP deutlich. Es würde vielleicht noch besser zur Philosophie dieser exotischen und von Musik aus buchstäblich allen Teilen der Welt inspirierten Band passen, ihr rohes Material beim nächsten Mal einer heterogeneren Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern anzuvertrauen, um noch vielseitigere und gewagtere Neuinterpretationen zurück zu bekommen.
5 Kommentare mit einer Antwort
die rezi an sich zeugt nicht grad von musikverständnis u es gibt einiges daran auszusetzen, aber ron trent als unbeschriebenes blatt zu titulieren...ts ts ts...das geht gar nicht...da hat wohl wer wirklich wenig ahnung...
Die Namen sind an der Stelle etwas durcheinander geraten, auch Quantic sollte da natürlich nicht doppelt genannt werden. "die rezi an sich zeugt nicht grad von musikverständnis u es gibt einiges daran auszusetzen" Jetzt würde mich schon interessieren, was genau damit gemeint ist
Rezi (noch) nicht gelesen, kenne aber die Sachen von davor und wird bei mir trotz bösem HH-Wort im Titel der jüngste Blindkauf!
Die gemeinsame EP mit Leon Bridges war sehr fein - diese Platte eher weniger meins aber in Ordnung.
Schöne Platte zur Beschallung in gemütlicher Runde
War aufgrund der vorherigen Platten ein Blindkauf.
Hätte das Geld anders investieren sollen!