laut.de-Kritik
Mit Feist, Fontaines D.C. etc.
Review von Giuliano BenassiAls Nick Drake 1974 im Alter von 26 Jahren stirbt, hat er gerade mal drei Alben aufgenommen. Zu Lebzeiten verkauften sie sich kaum, dank seiner warmen, melancholischen Stimme, seiner poetischen Texte und seines unkonventionellen Gitarrenspiels wurde der Engländer aber zur Inspirationsquelle unzähliger Singer/Songwriter folgender Generationen, die auch gerne seine Stücke coverten. Wie auf dem vorliegenden Album, das bekannte und weniger bekannte Musiker vereint.
Nicht zum ersten Mal natürlich, dafür mit gewichtigen Kuratoren - einerseits Cally Callomon, der sich um Drakes Nachlass kümmert, andererseits Jeremy Lascelles, CEO von Blue Raincoat Music und Chrysalis Records. "Es war wirklich überwältigend, so viele ähnliche Antworten zu erhalten, in denen alle betonten, wie wichtig Nicks Musik für sie gewesen sei und wie gerne sie an diesem Projekt teilnehmen wollten. Als die Ergebnisse nach und nach eintrafen, waren wir begeistert von der Kreativität und dem Einfallsreichtum aller Künstler. Sie hatten genau das getan, was wir uns erhofft hatten - sie hatten den Song zu ihrem eigenen gemacht", so Lascelles.
Beeindruckend, welche Bandbreite diese Compilation abdeckt, von jung bis alt und mit einem beachtlichen Anteil an weiblichen Interpreten. Das Material setzt sich im Wesentlichen aus den drei Alben zusammen ("Five Leaves Left", 1969; "Bryter Layter", 1971; "Pink Moon", 1972). Dazu gesellen sich zwei Stücke, die Drake kurz vor seinem Tod aufnahm und ein obskures, das noch vor seinem offiziellen Debüt entstanden war.
Nach einem kurzen choralen Acapella-Intro macht die 2016 gegründete irische Band Fontaines D.C. den Anfang, mit "Cello Song", einem Stück aus Drakes Debütalbum. Dass punkige E-Gitarren die Streicher des Originals ersetzen, ist gewöhnungsbedürftig, dafür kann kaum jemand so schön hauchen wie die Französin Camille auf "Hazy Jane II", dazu noch mit gezupfter Cello-Begleitung.
Mike Lindsay und Guy Garvey setzen in "Saturday Sun" auf den leicht scheppen, warmen Sound ihrer Bands Tunng und Elbow, auch dank Holzbläsern ein erster Höhepunkt des Albums. Bombay Bicycle Club gelingt es nicht, die irre Gitarre von "Road" so recht umzusetzen, während Let's Eat Grandma auf "From The Morning" an U2 mit weiblicher Stimme erinnern. David Gray klingt auf "Place To Be" wie eh und je - wohlwollend und eine Spur zu schnulzig.
Damit endet die A-Seite oder "Season 1", wobei nicht klar ist, nach welchem Kriterium die Stücke in die vier Jahreszeiten aufgeteilt wurden. "Three Hours" bietet einen ordentlichen Beat, elektronische Frickeleien und Harmonien von PJ Harvey-Spezi John Parish und Aldous Harding. Auf dem Papier einer der Höhepunkte, doch trotz Harding gerät es viel zu kühl. Stick In The Wheel machen auf "Parasite" auf Goldfrapp anno 2000, Ben Harper zeigt sich auf "Time Has Told Me" von seiner angejazzten Seite. Emeli Sandé setzt in "One Of These Things First" auf ein wuchtiges Schlagzeug, die schottischen Singer-Songwriter Karine Polwart und Kris Drever in "Northern Sky" auf eine melancholische Trompete mit ansonsten eher kitschigen Arrangements.
Wie das Album hätte sein können, zeigt sich im Abschluss von Season 2: im Video zu "Black Eyed Dog" (eines der Stücke von 1974) verzichtet Craig Armstrong auf Gesang und bietet ein träumerisches, dichtes Stück, das zu Beginn ein bisschen an "Battle Of Evermore" von Led Zeppelin erinnert, im weiteren Verlauf an die Standard-Begleitmusik von Apple-Fotos. Der ätherische Gesang der Britin Self Esteem nimmt der Interpretation jedoch einen Teil ihres Zaubers.
Season 3 weckt Hoffnungen mit "Road" Teil 2, diesmal Acapella, und einer rhythm-and-bluesigen Interpretation von "Poor Boy" der neuseeländischen Singer/Songwriterin Nadia Reid. Christian Lee Hutson und Eleanor Moss gehen "Which Will" aber so langsam an, dass man fast einschläft, was spätestens mit "Harvest Breed" von Skullcrusher und Gia Margaret geschieht. Cooler Name übrigens, nicht von einer Death Metal-Band, sondern das Alter Ego der noch jungen US-Indie-Musikerin Helen Ballentine.
Mit "I Think They're Leaving Me Behind" erfolgt ein sanftes Erwachen, was sich auch lohnt, denn Kathrin Priddys Interpretation gehört trotz Keyboardstreichern zu den besten Stücken der Zusammenstellung. Dabei handelt es sich um das bereits erwähnte obskure Stück, erschienen 2007 auf der Compilation "Family Tree".
Die Norwegerin Aurora verhunzt dagegen elektronisch Drakes bekanntestes Stück, "Pink Moon". Joe Henry verzichtet wie gewohnt auf Synthetisches und setzt auf den gewohnt warmen, leicht verschrobenen Sound, der perfekt zu seiner schnarrenden Stimme passt. Meshell Ndegeocello ist in "Time Of No Reply" ebenfalls zu hören, wenn auch weitgehend im Hintergrund
Feist haucht zu Beginn von Season 4 "River Man" mit minimalistischer triphoppiger Begleitung wunderbar ein, doch kommt sie nicht an die Version heran, die Nigel Kennedy und Boy George 2010 veröffentlichten. Liz Phair setzt die fingerbrechende Gitarre von "Free Ride" mit Orgelbegleitung um, doch der schnöde 4/4-Rocktakt ihrer Version wird dem Stück nicht gerecht. Radiohead-Drummer Philip Selway ("Fly") und John Grant ("Day Is Done") klingen wie gewohnt so, als wäre gerade jemand gestorben, letzterer in Kombination mit übertriebenem Vangelis-Bombast. The Wandering Hearts bringen mit "Voice From A Mountain" in Bandversion das zu Ende, was sie ganz am Anfang Acapella dargeboten hatten. Der Kreis schließt sich also.
Wieviel Mühe sich die Verantwortlichen gegeben haben, zeigt sich auch daran, dass es zu vielen Stücken Videos gibt - meist melancholische Landschaftsaufnahmen, im Fall von Liz Phair eine Mauer, von der die Farbe abblättert. Außerdem sind im Vorfeld fünf Vinyl-Singles erschienen, darunter auch Drake selbst in einer Coverversion von Bob Dylans "Tomorrow Is A Long Time" (die bereits 2007 auf der Rarities-Sammlung "Family Tree" zu hören war). Dennoch gelingt es nur stellenweise, die Magie von Drakes Stimme und Gitarre wirklich einzufangen. Doch das ist bei einem Künstler, der ohnehin nicht übermäßig bekannt ist, ein schwieriges Unterfangen.
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