laut.de-Kritik

Soundtrack mit vielen Remixes.

Review von

"I Wanna Dance With Somebody" ist ein Biopic, das aber nicht das ganze Leben der R'n'B-Sängerin Whitney Houston erklären will, sondern das Schlaglicht auf eine interessante Phase wirft. Man könnte es sich jetzt als Film-Produzentin einfach machen und die 'Greatest Hits' unter die Bilder klatschen. Doch Kasi Lemmons, die bei Spike Lee in die Lehre ging, holt weiter aus: Der Soundtrack ist gespickt mit neuen Remixes, auf die sich Stimmen verehrender Artists legen. Mal kommen die aus dem amerikanischen R'n'B wie Lucky Daye ("Honest (Heartbreak Hotel) + Lucky Daye", Samaria ("Tomorrow + Samaria") und - aus Whitneys Generation - BeBe Winans ("I Love The Lord + BeBe Winans + Great John"), mal aus Europas Club-Electropop, Clean Bandit (UK), Kygo (Norwegen), Jax Jones (UK), Sam Feldt (Holland), Moto Blanco (UK), und Matveï (Frankreich, Kitsuné-Label).

Die meisten Ergebnisse der Re-Works hören sich smooth, poppig, durchaus zeitgemäß, aber relativ überraschungsfrei an. In der ersten Hälfte der Playlist bekommt Whitney Houston damit die Rolle einer Sparring Partnerin zugewiesen, die hin und wieder im Background dagegen hält, sporadisch im Lead-Gesang oder in einzelnen Strophen oder Momenten aufploppt, ganz so wie eben auf den neuen Aufnahmen für sie Platz ist. Was dann Leikeli47 in "Impossible Things + Leikeli47" mit Whitney zu tun hat, wird nicht klar. Der Track bounzt gut, Whitney wiederholt immer ein- und dieselbe Zeile, Leikeli rappt kurz, und das macht sie wie immer gut. Doch einer der meist-verkaufenden Interpretinnen des Planeten wird die Beiläufigkeit dieses und vieler Tracks nicht so ganz gerecht. Der Ansatz ist trotzdem mal was anderes als die üblichen Best-Ofs und Tributes.

Wirklich direkt mit Whitneys nahbarer Stimme konfrontiert wird man also nur manchmal. Vor allem im hinteren Teil der zweieinhalb Stunden Soundtrack, wenn unbearbeitete Originale kommen, und zum Beispiel im "You'll Never Stand Alone - Moto Blanco Remix". Andererseits könnte es ihr neue Fans post-hum erschließen, denen Whitney Houston bisher zu dick aufgetragen und übermäßig präsent klang. Eine kleine Sensation ragt mit dem unveröffentlichten "Far Enough" heraus, das auf Anhieb sympathisch nach dem netten Mädchen von nebenan klingt und die Qualität und Tiefe einer Beziehung erörtert. Whitney trägt einen inneren Monolog vor, in dem sie verschiedene Fragen vor sich hin spricht, die sie dem Partner gern mal stellen würde.

Der Sound hört sich an, als habe ihn William Orbit in den '90ern für Madonna erschaffen, hat eine dezente Nähe zu "Substitute For Love", ist aber mutmaßlich älter. Unveröffentlicht scheint auch das "Don't Cry For Me - A-cappella". Zumindest findet selbst Clive Davis den bisher nur in Live-Mitschnitten kursierenden Song "eine echte Überraschungs-Entdeckung. Der Text integriert sich auf verblüffende Weise in Whitneys Lebensgeschichte, und ihre unvergleichliche Stimme durchdringt mit ihrer Botschaft dein Herz. Das muss man (...) nach dem Abspann noch hören!"

Im Unterschied zu ihrer Zeitgenossin und Mitbewerberin Mariah Carey war ein Teil der Musik bereits bei Erscheinen auffallend dance-tauglich, wie es nicht nur der Titelsong "I Wanna Dance With Somebody (Who Loves Me)" (1987) zeigt und was man mit einer anderen Songauswahl noch stärker hätte unterstreichen können. So fehlt etwa das markante "My Name Is Not Susan" in der großen Selection, wie man überhaupt das dritte Album (1990) weitgehend ausblendete. 

Trotzdem gelingt es dem Soundtrack an etlichen Stellen, beste Disco-Vibes zu spreaden. Der "Love Will Save The Day - Matveï Remix" pflegt starken Tropical House mit treibenden Beats, die ich in der Art eher aus kolumbianischer Electro-Cumbia kenne oder von Spät-'80er-Ausläufern von Warehouse-Garage-Acid. Sehr gut funktioniert die Afrobeats-Version von "Okay (It's Not Right) + Oxlade + Pheelz", die in einer Nigeria-Frankreich-Connection entstand. In Frankreich nimmt man afrikanische Musikelemente schneller im Markt an als bei uns, und die weichen Vibraphon-Imitationen am Laptop kombinieren sich gut mit der schnalzenden Percussion. Selbst wenn Houston nur eine untergeordnete Rolle spielt, klappt hier soagr die Verschmelzung ihrer Stimme mit dem restlichen Tune ganz gut. Das Original von 1998, "It's Not Right But It's Okay", beweist, wie gut Nineties-R'n'B altern kann.

Von den weiteren Original-Aufnahmen flasht in erster Linie der inbrünstige Mitschnitt "Home (Live From The Merv Griffin Show)" aus einem TV-Auftritt von 1983. Merv Griffin moderierte eine Talkshow mit Spitzenpolitikern und Schauspiel-Stars, in der es Comedy-Einlagen und Musik-Auftritte gab, Marvin Gaye trat dort auf - und Whitney - das ist das Besondere - vor ihrer Karriere, indes mit einer ihrer anrührendsten Aufnahmen: Diese Premiere vor landesweitem Publikum vollzog sie mit einem Musical-Song aus der "Wizard Of Oz"-Story.

Spätere Produktionen prägen ihr dann immer mehr den Stempel 'Pop' auf, der sich auch in den weiteren vorhandenen Live-Aufnahmen und in den Studio-Cuts öfter zeigt: Klingt sie anfangs, 1985 auf "You Give Good Love" und "Saving All My Love For You", eben so zärtlich, wie man es damals im Fahrwasser von Lionel Richie und Anita Baker ungestraft produzieren konnte, dann hätte sie gerne so weiter machen können. Auf dem Debüt schmilzt sie in Hingebung, doch insgesamt hat die Musik noch eine sportliche Seite. Und Whitney muss keine Tonhöhen erklimmen, in denen sie angestrengt wirkt. Warum man sie oder sie sich selbst immer mehr in die Sopran-Schiene drängte, weiß vielleicht Clive Davis. Der plaudert in "Clive's Message" leider nur sehr allgemein, dass sich die Zusammenarbeit unter denen befände, die ihn am meisten erfüllt hätten und er Houston vermisse.

Schon 1986 steigen die Anteile an Kitsch und Seifigkeit beträchtlich. "If You Say My Eyes Are Beautiful + Jermaine Jackson" versackt im Weichspül-Programm mit extra vielen Knitterschutz-Umdrehungen. Vier Minuten können sich extrem lang anfühlen. Glatter gebügelt ist sonst nur die Frisur von Markus Lanz.

"So Emotional" (1987) trägt dann ausgeprägt die Handschrift von Narada Michael Walden (heute überraschend bei Journey): Disco-Beats, quietschendes Saxophon oben drauf, Lust auf den Dancefloor, kraftvolles Schlagzeug. Dann folgen viele Schnulzen in der Chronologie. Zwischen denen hebt sich der Breakdance-taugliche New Jack Swing-Style von "I'm Baby Your Tonight" unter Ko-Regie von Babyface angenehm lebhaft hervor, während überhaupt in den '90ern wieder mehr Pfiff in ihre Songs Einzug hielt. Insgesamt ein ganz netter Soundtrack, dem ohne Clean Bandit nichts fehlen würde. Die Filmhandlung mit der besagten Schauspiel-Crew überbietet die getroffene Auswahl der Aufnahmen an Spannung aber ganz sicher.

Trackliste

  1. 1. I Wanna Dance With Somebody (Who Loves Me) + P2J
  2. 2. Don't Cry For Me + Sam Feldt
  3. 3. Higher Love + Kygo
  4. 4. The Greatest Love Of All + Jax Jones
  5. 5. I'm Every Woman + SG Lewis
  6. 6. How Will I Know + Clean Bandit
  7. 7. I Love The Lord + BeBe Winans + Great John
  8. 8. Don't Cry For Me (Darkchild Film Version)
  9. 9. Honest (Heartbreak Hotel) + Lucky Daye
  10. 10. Okay (It's Not Right) + Oxlade + Pheelz
  11. 11. You'll Never Stand Alone - Moto Blanco Remix
  12. 12. Love Will Save The Day - Matveï Remix
  13. 13. Tomorrow + Samaria
  14. 14. Home (Live From The Merv Griffin Show)
  15. 15. You Give Good Love
  16. 16. Saving All My Love For You
  17. 17. If You Say My Eyes Are Beautiful + Jermaine Jackson
  18. 18. Far Enough
  19. 19. I Wanna Dance With Somebody (Who Loves Me)
  20. 20. So Emotional
  21. 21. Where Do Broken Hearts Go
  22. 22. Moment Of Truth
  23. 23. I'm Your Baby Tonight
  24. 24. The Star Spangled Banner (Live From Super Bowl XXV) 
  25. 25. One Moment In Time
  26. 26. I Will Always Love You (Live @The Concert For A New South Africa)
  27. 27. Medley Live @The 21st Annual American Music Awards
  28. 28. Run To You
  29. 29. Impossible Things + Leikeli47
  30. 30. Why Does It Hurt So Bad ("Waiting To Exhale"-O.S.T.)
  31. 31. It's Not Right But It's Okay
  32. 32. My Love Is Your Love
  33. 33. I Didn't Know My Own Strength (Live @Oprah Winfrey Show)
  34. 34. Cllive Davis - Clive's Message
  35. 35. Don't Cry For Me - A-cappella

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