laut.de-Kritik

Duett-Gipfel mit Dylan, Carey, Laufey, McCartney u.v.m.

Review von

Das Orchester schnulzt wie bei einem Film-Score. Namhafte Figuren der 80er-Studioszene spielen dazu die Rock-Instrumente, und Barbra Streisand covert uraltes Liebesliedgut. Nicht weniger als "das Geheimnis des Lebens" verspricht die 83-Jährige aus New York. An ihrer Seite in "The Secret Of Life: Partners, Volume 2" trällert das Who's Who roter Grammy-Teppiche, von A wie Ariana Grande bis S wie Seal, Sting und Sam Smith.

Es produziert Walter Afanasieff. Auf seine Kappe gingen schon allerlei ruhmreiche Balladen der Charts-Historie, er belieferte oder dirigierte Bolton, Carey, Destiny's Child, Aretha Franklin, Whitney Houston, Ricky Martin, Richard Marx, mehrere Boygroups und aus der Versenkung geholte 70er-Disco-Stars. Sein Riesen-Hit war 1998 Celine Dions "My Heart Will Go On". Kurz danach arbeitete er schon einmal mit der Streisand für ihre '99er-CD. Er ist der Pianist, Keyboarder, Arrangeur, Strippenzieher hinter dem neuen Album, und er mogelte zwischen die Covers ein paar neue Songs, teils verfasst von ihm.

Zu diesen gehört "To Lose You Again". Sam Smith probiert in dem Schmachtfetzen vielerlei Tonlagen durch, scheint nicht so genau zu wissen, ob er sich nun mehr Blues oder italienische Opernarie zum Vorbild nehmen soll. Das Duett ist recht dynamisch und räumlich, weil er mal näher am Mikrofon, mal weiter weg davon heul-singt. Beide werfen je ein paar Takte ein. Somit wirkt es, als würden Barbra und Sam wirklich einen Dialog miteinander austragen.

Eine fette Schippe drauf legt das Trio aus Streisand, Oktaven-Klettermeisterin Mariah Carey und der stimmlichen Unschuld in Person, Ariana Grande, ebenfalls auf einem neuen Afanasieff-Lied. Die Melodie ähnelt ein bisschen Don McLeans "Vincent", das Arrangement einer Reihe von Eighties-Balladen aus dem Oldies-Sender eures Vertrauens. Kommt Barbra hier in der ersten Strophe ernst und dunkel herüber, wirkt Carey im Vergleich herzlich und soulful. Dass der Song sich allzu arg in Tränen und seelische Verletzungen hinein steigert, verengt ihn zu einem Melodram über die "power in a woman's heart" auf der Suche nach einem "guide" und "sacred garden to where we all belong", sehr amerikanisch und blumig gedacht. In der Bridge schwingt sich Carey zur Lead-Sängerin auf, hier klingt sie auf einmal wieder wie die schillernde Gefühls-Queen der 90er - vielleicht sollte sie sich auf ihren Solo-Songs auch mal wieder auf ihr Kerngeschäft besinnen, nämlich Gesang statt Hip Hop-Moves.

Tim McGraw, Dauergast in den US-Top 3 seit drei Jahrzehnten, schmust mit Streisand in "I Love Us": "The flame that burned so bright", jault Streisand, "the wish that came so true", schmalzt McGraw recht ölig. Kann man skippen. Als Highlights kristallisieren sich dagegen die Nummern mit James Taylor, "Secret O' Life", und mit Bob Dylan, "The Very Thought Of You", heraus. "Secret O' Life" ist ein Taylor-Klassiker. James trägt ihn mit angenehmer Tiefenentspanntheit vor, was gegen manch aufgeregte Strophe dieser Platte einen wohltuenden Kontrast bietet. Mit dem klanglichen Staub sanfter Streichel-Tuschs auf der Snare und einem ungewohnt gefühligen und klaren Dylan kitzelt Streisand zwischen Geigen und Mundharmonika erstaunlich viel Frische aus dem totgecoverten Tune heraus. In die kleine Quetsche bläst aber nicht Bob selbst, sondern der vielfache Jazz-Preisträger Grégoire Maret. "The Very Thought Of You" - Bing Crosby machte die erste Version 1934. Doris Day wie auch die Crème de la Crème des Jazz folgten, Billie Holiday, Nat King Cole, Ella Fitzgerald unter den Stimmen, Gene Krupa (Drums), Sonny Rollins (Saxophon), Roy Hargrove (Trompete), Art Tatum (Klavier) oder Charlie Haden (Bass) unter den Instrumentalisten. Dieses Stück steht für die Geschichte der Big Band- und Variété-Musik. Barbra und Bob würdigen das Lied, unterwerfen sich seinem Text, gehen in ihren Rollen auf.

Die 26-jährige Cellistin und Berklee-Absolventin Laufey bringt die Streaming-Welt und TikTok-Generation mit dieser etwas anderen Welt der Easy Listening-Standards zusammen und verjüngt mit einem selbst komponierten neuen Song Barbras Retro-Galerie. Der "Brief an mein 13-jähriges Ich", "Letter To My 13 Year Old Self" suhlt sich dennoch in Muzak-Seichtheit. Stings "Fragile" fügt sich nahtlos in diesen Modus ein, nahezu ein Eins-zu-Eins-Cover. Der Police-Mann gestaltet Strophe Zwei mit seinen eigenen Vocals zwar lebendiger als im Original. Jedoch versinkt das Duo danach unrettbar im Kitsch.

Russell Kunkel und Lenny Castro runden an Schlagwerk und Percussion das glitzernde Aufgebot von Namen mit Reichweite ab. Gleichwohl kaum mehr Namedropping möglich gewesen wäre und Barbra ihre Scheibe folglich nicht zu verstecken braucht, erscheint "The Secret Of Life: Partners, Volume 2" in Europa ohne jegliche Werbung oder Promotion, sieht man von ein paar YouTube-Trailern ab, die Barbra auf Englisch vor einiger Zeit hochgeladen hat. Manche Darbietung wie "Love Will Survive ft. Seal" trägt zwar zu dick auf und gerät dadurch schon wieder ausdrucksarm, aber trotzdem hat man bei Columbia das "Secret" im Titel wohl zu wörtlich genommen. Barbra fing gleichzeitig wie die Beatles 1963 an, erinnert sich Paul McCartney, in dessen "My Valentine" sie einstimmt, und sie ist seither eine der beachtlichen Stimmen der Popmusik geblieben. Auch jetzt verteidigt sie ihren Ruf geschmeidig.

Trackliste

  1. 1. The First Time Ever I Saw Your Face ft. Hozier
  2. 2. My Valentine ft. Paul McCartney
  3. 3. To Lose You Again ft. Sam Smith
  4. 4. The Very Thought Of You ft. Bob Dylan
  5. 5. Letter To My 13 Year Old Self ft. Laufey
  6. 6. One Heart, One Voice ft. M. Carey + A. Grande
  7. 7. I Love Us ft. Tim McGraw
  8. 8. Secret O' Life ft. James Taylor
  9. 9. Fragile ft. Sting
  10. 10. Where Do I Go From You? ft. Josh Groban
  11. 11. Love Will Survive ft. Seal

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1 Kommentar mit einer Antwort

  • Vor 55 Minuten

    Herr Kause ist spürbar begeistert, mit welch flapsiger Respektlosigkeit er hier einige Säulenheilige der Pop-/Rockgeschichte dekonstruiert. Da hab ich ich aber etwas getraut, klingt da zwischen den Zeilen, und noch dazu mit solch rhetorischer Grandezza. Ein eitles, selbstreferentielles Geschreibsel - eine seriöse Rezension ist das nicht.