Beyoncé kommt auf "Cowboy Carter"-Tour. Kendrick kriegt fünf Grammys, Sierra Ferrell vier. "Espresso" bleibt Sommerhit. Eine K.I.-Stimme reüssiert.
L.A. (phk) - "Not Like Us" von Kendrick Lamar war der große Feger auf dem Grammy-Parkett in Los Angeles am Sonntagabend. In Deutschland wurde die Preisverleihung dieses Mal nicht auf ProSieben übertragen, sondern auf MagentaMusik, doch auf dem YouTube-Channel der Grammy-Organisation lassen sich die vier Stunden noch einmal nachsehen.
94 Kategorien waren es dieses Mal, bei denen in jeder mindestens je fünf Optionen nominiert waren. Insgesamt fünf der 94 Trophäen kann sich Kendrick Lamar nun ins Regal stellen, für den Song und die Single, den Rap-Song und die Rap-Darbietung des Jahres und sogar fürs Musikvideo zu "Not Like Us".
Das Wettrennen um die Single mag Beyoncé zwar verloren haben. Doch ihr Album "Cowboy Carter" überzeugte die Jury für die Platte des Jahres. US-lastig wird dort gern gewählt, Major Companies bevorzugend auch. Auf Beyoncé Knowles Brückenschlag zwischen Country und R'n'B, released via Sony, trafen gleich mehrere Kernmerkmale zu, und auch die Auszeichnung 'Country-Album' gebührte ihr. Verdattert, dann brav, dann empowernd freute sie sich im derzeit strohblonden Haar-Look.
Im Anschluss an die Preisverleihung kündigte Beynoncé ihre "Cowboy Carter"-Tour an. Konkrete Termine gibt es noch nicht, doch in einem Posting auf Instagram stelle sie klar, dass die Tour sie auch nach Europa führen wird; zumindest Auftritte in London und Paris sind wohl gesetzt.
SHE COMING. pic.twitter.com/PZYtIOtcYi
— BEYONCÉ (@Beyonce) February 3, 2025
Als beste Newcomerin punktete Chappell Roan gegen die mehrfach nominierte Sabrina Carpenter, gegen den 2023er-Shooting Star Raye, Crossover-Souler Teddy Swims, Rapperin Doechii und die überhaupt nicht neuen Khruangbin. Für Chappell produzierte Daniel Nigro, der als Producer ebenfalls gewann. Amy Allen, wiederum Songautorin für Sabrina Carpenter, erhielt in der zweiten Reihe eine Trophäe.
Sabrinas "Espresso" schlug im Fach Pop wiederum Beyoncé und Chappell, das Album "Short'n'Sweet" verdrängte Ariana Grandes schnuckliges "Eternal Sunshine" aus dem Rennen um die Longplayer, und interessanter Weise auch Billie Eilishs "Hit Me Hard And Soft" und sogar Taylor Swifts neuesten Streich. Ein Mark Ronson-Remix von "Espresso" besorgte Carpenter den dritten Grammy, für die hochwertigste Remix-Produktion. Da schaute sogar David Guetta in die Röhre.
Wer übrigens auch nicht mitbekommen haben sollte, dass Bob Marley-Sohn Julian als Amapiano remixed wurde und Doechiis "Alter Ego" von Kaytranada - bei der Liste der Nominierten erfährt man nachträglich so einiges.
So weit schließen die Preisvergaben ein vorhersehbares Musikjahr mit überraschungsarmen Entscheidungen ab. In die Riege des Absehbaren fallen auch diese Votings: Shakira beim Latin-Grammy siegreich gegen Kali Uchis, gleichzeitig feierte sie ihren Geburtstag auf dem roten Teppich.
Der Bob Marley-"One Love"-Soundtrack setzte sich gegen Dancehall-Kandidaten wie Vybz Kartel und Shenseea durch, und Norah Jones wurde im Segment 'Traditional Pop Vocal Album' zu Recht für "Visions" gewürdigt. Der bisherige Rekordhalter an Grammys in einem Jahrgang, Jon Batiste, 2022 üppig gekürt, erhielt zwei Statuen in Nischen-Kategorien der Filmmusik.
Zu den langweiligsten Auszeichnungen dürften die für Beatles und Stones zählen. Die K.I.-animierte Aufnahme "Now And Then" qualifizierte sich mit Release-Datum 2. November 2023 noch für 2024 und wurde - wohl gemerkt - für die beste Rock(!)-Performance(!) geehrt, obwohl hier künstliche Intelligenz performt und das Lied auch nicht so arg rockig ist. Pearl Jam und die Post-Punker Idles gingen dafür leer aus. Bei der LP schlugen die Rolling Stones ebenfalls Vedders Band und die Idles, aber auch das geheimniskrämerisch in den Sommerferien platzierte Spontan-Album "No Name" von Jack White.
Die Alternative-Preise für Lied und Platte gingen an St. Vincent, zulasten von Sonic Youth-Ikone Kim Gordon sowie Nick Cave. Der Tiefpunkt in der Grammy-Politik wurde spätestens in der Kategorie R'n'B durchquert. Hier gab's kleinere Namen mit feinsinnigerer Musik, denen die Ehrung einen Push hätte geben können - statt dessen räumte Seicht-Soft-Melodramatiker Chris Brown mit "11:11" ab.
Es gab jedoch auch ein paar Votes, die aufmerken lassen. In der Disziplin Dance ging die Trophäe nach Frankreich und Australien für die Paarung Justice mit Tame Impala, im Metal ebenfalls nach Frankreich an Gojira für ihre Performance mit Opernsängerin Marina Viotti, "Mea Culpa". Alte Hasen wie Judas Priest und Metallica waren neben der female-fronted Spiritbox ursprünglich annonciert.
Ein Hörbuch des gerade verstorbenen Ex-US-Präsidenten Jimmy Carter verdrängte in der Schublade 'Best Audio Book, Narration And Storytelling' etliche Musikerinnen und ihre Bio-Podcasts: Dolly Partons und Barbra Streisands Autobiographien verblassten da eben so wie das sicher lustige "... And Your Ass Will Follow" mit Anekdoten von Freak-Funker George Clinton. "Hell's Kitchen", ein Musical übers Leben von Alicia Keys, gab es als Broadway-Show und Soundtrack. Es gilt den Grammy-Juroren als Musical des Jahres und zeichnet NYC in den 90ern nach. In der Rolle der Alicia agiert und singt Maleah Joi Moon. Es ist ihre erste große Rolle, und sie wurde in der Theater-Branche mit zahlreichen Preisen bedacht.
Die Grammys bestätigen uns, auf Sierra Ferrell für ein Album-Review gesetzt zu haben. Die LAUT-User votierten mit 4/5, für eine Bluegrass-Platte, die Grammy-Entscheider:innen prämierten Sierra mehrfach. Stolze vier Statuen gingen an die Newcomerin mit der schwärmerischen Stimme.
Tyler Bryant, der Ehemann von Rebecca Lovell von Larkin Poe, produzierte Ruthie Fosters schöne Platte "Mileage", von der man in Deutschland dummer Weise kaum erfuhr - das Gewinner-Werk im Blues! Und wer auf Soulvolles und Americana steht, könnte auch Tank And The Bangas Scheibe "The Heart, The Mind, The Soul" mögen: ein wundervolles Easy Listening-Souljazz-Album, das eigentlich weit nach Teilnahmeschluss erschien. Es bekam trotzdem den Grammy im Bereich Spoken Word.
Die Huldigung Meshell Ndegeocellos an den Schriftsteller James Baldwin, tendenziell eine schwierig zu rezensierende langatmige und Pathos-triefende Lesung, überzeugte als 'Best Alternative Jazz Album', zuungunsten des Rap-Flötisten André 3000 und des Hip Hop-Drummers Robert Glasper. Eher eine Überraschung liefert der Bereich Melodic Rap Performance, eine seit 2021 neue Bezeichnung für die stimmliche Qualität im Hip Hop. Rapsody gewann zusammen mit Erykah Badu für "3 a.m."
Und auch der Titel 'bestes Rap-Album' geht an eine Frau und sogar an eine junge. Doechii setzte sich gegen J. Cole, Eminem, Common, Pete Rock, Future und Metro Boomin durch.
Weiteres Erwähnenswertes:
Peter Gabriel - zwei Grammys (beste Ton-Abmischung, bestes 'Immersive Audio' - ehemals hieß das 'Best Surround Sound').
Charli XCX - zwei Grammys (bestes Dance-Album, bestes Cover a.k.a. 'Best Recording Package').
Hans Zimmer - Soundtrack-Preis für "Dune Part Two".
Bei den Soundtracks gewann ein Bradley Cooper-Symphonie-Album als Leonard Bernstein-Tribute gegen das tolle History-Epos "The Color Purple".
Da Kalifornien wie immer der Austragungsort war, kam das Organisations-Team nicht umhin, während der Feier und auf der Website der Opfer der Waldbrände zu gedenken und zu Spenden aufzurufen. Insgesamt bleibt aber mehr denn je der Eindruck haften, dass der Grammy eine doch recht unflexible Angelegenheit ist, bei der oft genug der Ruf oder die symbolische Bedeutung, die einem Produkt voraus eilen, eine wesentlichere Rolle spielt als die Originalität und Kreativität. Immer wieder ballen sich mehrere Trophäen bei wenigen Künstler:innen, amerikanische Gewinner:innen dominieren das Ganze, und Charts-Platzierungen weisen oft schon den Weg, obwohl man meinen sollte, dass eine Jury auch mal anders denkt als das breite Publikum. Unterm Strich also sagt diese Verleihungs-Zeremonie wenig aus und wird rasch vergessen sein.
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