laut.de-Kritik
Zwischen Mick Hucknall und Rag'n'Bone Man.
Review von Philipp Kause2025 blickt Mick Hucknall auf Jubiläumstour ein Jahr zu spät auf 40 Jahre Simply Red zurück. Im rechnerisch korrekten Jahr, 2024, macht ein Newcomer aus Atlanta in Europa (und Asien) auf sich aufmerksam, der das Zeug zum nächsten Mick Hucknall hat. Teddy Swims, so nennt er sich, hat das Feingefühl für Northern Soul, kann catchy Pop und besitzt die Stimme eines Mannes, der schon etwas erlebt hat.
Der ehemalige Kellner einer Burger-Bude droppte im vergangenen Jahr erfolgreich "Lose Control" vom Album "I've Tried Everything But Therapy (Part 1)" in den deutschen Radios. Mit "Bad Dreams" folgte ein zweiter Hit: Seit Oktober befindet sich der Song in den deutschen Top 100. Mit dem Release des dazugehörigen Albums, "I've Tried Everything But Therapy (Part 2)", kletterte der schnörkellose, super-eingängige und wunderschöne Track unaufhaltsam nach oben - ein Lied von der ewigen Eleganz eines "Kiss From A Rose" der Marke Seal.
Semispannender Pathos-Pop in "Northern Lights", "Not Your Man" und "Guilty" bildet dagegen das untere Ende der Skala auf Teddys zweitem Album. Darüber firmieren Soft-R'n'B-Bekenntnisse à la "you're so beautiful, you're so spiritual" direkt aus dem Schlafzimmer zu minimalen Beats. "Are You Even Real" heißt die Nummer mit Giveon, dem knapp 30-jährigen Featuregast.
Teddy Swims selbst gehört mit 32 Jahren nicht gerade der mit Soul-Pop sozialisierten Altersgruppe an. Die Neo-Soul-Welle war in seiner Pubertät schon abgeebbt, die Soul-Stars der 70er, 80er, 90er hatten drastisch an Popularität eingebüßt (von Lionel Richie mal abgesehen). Doch in seiner Kindheit und Jugend sog Teddy all das große Sixties-Motown-Geträller geradezu in sich auf. In "Black And White" hört man dies deutlich. Eine DefJam-Künstlerin, die zuletzt an der Seite von MC Lyte und von H.E.R. in Erscheinung trat, unterstützt ihn dabei: Muni Long. Im harmonischen Wechselspiel gedeiht ein prachtvolles Duett.
Ein unscheinbares Juwel wie das zart und romantisch schmachtende Beziehungsstück "If You Ever Change Your Mind" geht derweil fast unter. Dabei handelt es sich um einen zentralen Song, soll die Scheibe Teddy zufolge doch die Krise als Chance für eine bessere Beziehung veranschaulichen. Das akustische Stück lebt vor allem von Streichern und seiner Stimme.
Weniger kammermusikalisch, dafür mit Clap-Beats, Autotune und Urban-Bässen geht "She Got It" über das hinaus, was in England Rag'n'Bone Man macht. Teddy Swims bringt es mit mehr Action und elektrifiziert. Hier kommt seine Hip Hop-Phase zum Tragen: 2019/20 probierte er sich als Rapper aus. Diese Rolle überlässt er nun GloRilla. Kollegin Coco Jones, einst Disney-Kinderstar im US-Fernsehen, singt noch dazwischen. "She Got It" gerät zu einem recht zeitgemäßen und bassstarken Stück.
Über Feelgood-Zeitvertreib reicht die LP zwar insgesamt kaum hinaus, dennoch hält sie weitere Anspieltipps parat, etwa das druckvoll und zugleich lässig swingende "She Loves The Rain", die R'n'B-Ballade "Your Kind Of Crazy" sowie das Gospel-angelehnte "Funeral".
Teddy Swims dürfte in den kommenden Jahren nicht mehr wegzudenken sein. Er schreibt die Texte und gestaltet die Songs mit. Schlagzeug, Gitarren, Bass, Klavier, Orgel, Synths etc. besorgte größtenteils Matt Zara, zugleich auch Tontechniker der meisten Stücke. Der aufstrebende Produzent designte bereits Songs für Julia Michaels, Daniel Merriweather, Craig David und Olly Murs, gilt aber noch weitgehend als Nobody.
Eine der weiteren Co-Autorinnen heißt Sarah Solovay, die aktuell auch für Nessa Barrett und Jason Derulo tätig ist. Ferner beteiligten sich Jeff Gitelman (J.Los "This Is Me ... Now", H.E.R., Jorja Smith, Anderson .Paaks "Oxnard") sowie John Ryan und Julian Bunetta (beide aus dem Umfeld von One Direction) an der Platte. Insofern liegt der Verdacht nahe, dass Swims bald zu den üblichen Pop-Major-Artists aufsteigt - seine Vorliebe für Metalcore und Funk lässt er sich jedenfalls bislang nicht anmerken.
Noch keine Kommentare