laut.de-Kritik
Das erste Rap-to-Rock-Album, das wirklich funktioniert?!
Review von Yannik Gölz"Let's Start Here" von Lil Yachty ist das Event-Album des Jahres. Der Soundcloud-Goofball schlechthin unternimmt eine Reise in den Psychedelic Rock, so richtig mit Gitarren und Falsetto und LSD. Er stellt sich damit in eine lange Tradition von Rappern, die sich ihr Hak in Genres mit dem Prädikat "künstlerisch wertvoll" erkämpfen wollen. Die Reihe der guten Artists, die sich damit quer auf die Fresse gelegt haben, ist lang: Waynes "Rebirth", Cudis "Speeding Bullet To Heaven", Logics "Supermarket", Vic Mensas "93Punx" und G-Eazys "Everything's Strange Here" ... und ausgerechnet Yachty, der handwerklich vermutlich am wenigsten Gerüstete, trifft aus dem Nichts voll ins Schwarze. "Let's Start Here" klingt fantastisch. Reicht das, um dem Zynismus standzuhalten?
Vielleicht hat Yachty sich Notizen vom letzten großen Rap-Genrewechsel gemacht und Drakes Methode vermieden, sich für "Honestly, Nevermind" House-Beats zu sehr vom eigenen Camp zimmern zu lassen. Stattdessen bekommen wir hier die Titanen der Neo-Psychedelia: Tame Impala, Mac DeMarco, Magdalena Bay, Yves Tumor, allesamt Artists, die Sound können. Yachty, der auf jedem Track ebenfalls Produktions-Credits bekommen hat, setzt sie überraschend souverän ein.
Musikalisch geile Momente sind deshalb nicht schwer zu finden. "The Black Seminole." geht jetzt schon als einer der besten Songs des Jahres durch. Die Pink Floyd-eske Klangästhetik, das epische Auf und Ab, die triumphalen Synth-Tones, das ist einfach ein fantastischer Song, von vorne bis hinten, toll geschrieben, toll produziert, Yachty gleitet stimmlich darauf und setzt die richtigen Akzente. "Running Out Of Time" bringt die relaxten Indie-Grooves, die ein Harry Styles sich für seine Alben wünschen würde, "Paint THE Sky", "The Alchemist." und "Reach The Sunshine." kanalisieren das Gefühl, Artists wie Funkadelic, Tame Impala oder MGMT das erste Mal zu hören. Es fällt nicht schwer, zu verstehen, dass gerade ein Rapfan auf dieses Album auf Anhieb völlig ausflippen kann. Es geht musikalisch den ganzen Weg.
Die erste kritische Gegenfrage folgt aber schnell: Wie viel hat Yachty eigentlich mit der Qualität dieses Albums zu tun? Eigentlich gar nicht so viel, könnte man meinen. Er surft auf der Exzellenz der Produktion, seine Stimme ist mit der typischen Soundcloud-Autotune-Textur abgemischt, und manchmal klingt er wie eine Aufsitzerpflanze, als singe er einfach nur auf ein von YouTube runtergeladenes Psych-Rock-Album Karaoke.
Aber das stimmt nicht ganz. Es gibt eine Handvoll Momente, die zeigen, dass Yachty wirklich gut begreift, wie er sich in dieses Album einzuschalten hat. Der Hip Hop-hafteste Aspekt daran ist wohl, dass er tatsächlich ein bisschen wie ein MC für das Album auftritt, ein Zeremonienmeister, der moderiert, einführt, die Riten leitet. Zum Beispiel, wenn er auf dem Intro nach dem ersten Fake-Out "now" sagt, bevor noch einmal ein großer Breakdown folgt. Wunderbar! Wie er nach der Gastsängerin auf "The Alchemist." energetisch in den Song hineinrappt, die Vocal-Dehnungen auf "We Saw The Sun!" zeigen eine direkt vererbte Stimmtechnik aus Songs wie "Minnesota" oder seinem frischen Hit "Poland".
Aber selbst abgesehen davon unterscheidet sich Yachtys Kuration auf diesem Album von anderer Neopsychedelia. Eine Art Immunität gegen Genre-Kitsch, der eigentlich jede Stoner-Rock-Band der letzten dreißig Jahre befallen hat, die Artists wie Tame Impala oder Mac DeMarco in einen Zustand der immerwährenden Post-Ironie verbannt. Yachty, in seiner jugendlichen Ich-habe-mir-das-Pink-Floyd-Prisma-aufs-Bein-tätowiert-let's-go-Energie kann loslegen, als wäre er einer der originalen Rockstars, die das Genre gestern entdeckt haben, und er macht diese Musik mit einer Energie, als wäre sie das Allergrößte, das je existiert hat. Diese Energie kriegt man in dieser Form kaum mehr.
... und war das nicht immer schon das Talent von Yachty? Der Kerl hätte eine Lachnummer werden können, nachdem er objektiv nie ganz an den Erfolg von "Lil Boat" angeknüpft hat. Stattdessen ist er dieser universell geliebte Hip Hop-Dandy geworden, der sein Ohr am Puls des Genres hat, ein Vollblut-Musiknerd, der immer sofort zur Stelle war, sobald ein cooler Untergrund-Artist auftaucht. Er hat Musik mit Remble oder Sada Baby oder DaBoii oder Babytron gemacht, ein ganzes Album der Rapstadt Detroit gewidmet, Drakes letztes Album mit 21 Savage durchmoderiert. All das immer mit diesem Ethos, dass das, was er gerade gefunden hat, mindestens die coolste Sache der Welt ist.
Dieser Spirit transzendiert "Let's Start Here" am Ende zur Großartigkeit. Wie auch die aktuelle Pitchfork-Review nicht unwahr feststellt: Natürlich ist dieses Album gewissermaßen ein oberflächlicher Take auf ein Genre, dem es nichts "Innovatives" oder "Experimentelles" hinzufügen kann. Aber Alphonse Pierre irrt sich in einer Sache: Es ist kein Album, das sich den Hip Hop-Fans ohne Plattenspieler, aber mit "Currents" und "Igor" als Vinyl an der Wand anbiedert, sondern es ist ein Album von diesen Kids. Ein musikalischer Tribut, aber eine Verschiebung der Perspektive.
So viel Inspiration von Vorbildern man "Let's Start Here" auch vorwerfen kann: Gibt es ein Album, das so richtig genau wie dieses klingt, oder nur viele, an die es ein bisschen erinnert? Es lässt sich überraschend gut für die Einzigartigkeit dieses Yachty-Albums argumentieren, und wenn schon! Dieses Album klingt von vorne bis hinten fantastisch und strotzt nur so vor euphorischem Respekt vor allem, das diesen Sound cool macht, und überspringt so vieles, das ihn nervig machen könnte. Es wird seinen historischen Respekt finden, egal, ob es eine große Welle an Einfluss nach sich zieht oder ob es einfach nur als seltsame Singularität in die Geschichte eingeht.
8 Kommentare mit 4 Antworten
Mal davon abgesehen, dass ich nicht wissen will, was ein Eventalbum ist und ich nicht weiß, wer Lil Yachty ist: wird hier krass abgegölzt?
Nö, es ist tatsächlich gut und Yachty findet sich überraschend natürlich in der Identität als Rockstar ein. Also vom Handwerk her ist es gelungen.
Verdammt, dann muss man da tatsächlich reinhören?
Hätte nicht reinhören sollen. 2/5
Dark Side of the Moon in gut
konnte bisher weder mit yachty viel anfangen, noch mit dieser art sound. aber ich bin völlig geflasht von dem umstand, wie gut das funktioniert und wie gut es mir reinläuft.
Hätte er noch dazu eine geilere Stimme, wäre ich noch begeisterter, aber auch so ein außergewöhnliches Album, das ich ihm definitiv nicht zugetraut hätte. Respekt.
ich geb zu, the ride ist ne sexy nummer. Rapper sollten öfter mit Musikern kollaborieren.
Das Albumcover sieht aus wie mit AI generiert. Also gerade die Gesichter.
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